Talente im Nibelungenland: Till von Bothmer vom DAV Worms gilt als eines der größten deutschen Talente im olympischen Sportklettern / Jugend-WM in Voronezh (Russland) Ende August

 

Sport ist so vielfältig. Von Aerobic über Basketball, Fußball, Handball, Hockey, Judo, Karate, Radfahren, Sportklettern, Taekwondo, Tanzen, Tennis, Tischtennis, Turnen bis hin zum Wassersport bieten allein in der Nibelungenstadt Worms über 100 Sportvereine mit insgesamt etwa 31.000 Mitgliedern nahezu jede Sportart an. Zahlreiche junge Menschen eifern olympischen Helden der Leichtathletik oder im Schwimmbecken nach. Ja, es gibt sie auch in großer Anzahl im Nibelungenland: Talente, die das Zeug dazu haben über die Region hinaus Aufmerksamkeit auf ihren Sport zu lenken. Wir stellen sie über viele Sportarten hinweg nach und nach vor – in der Serie …

Talente im Nibelungenland

Es ist eine der Schlüsselszenen der Blockbuster-Filme „Mission impossible“. Mega-Schauspielstar Tom Cruise hängt in den Rocky-Mountains (USA) kopfüber an einem Felsvorsprung in der Bergwand. Spannung, Nervenkitzel, Adrenalinschübe sind angesagt. Klettern ist Faszination – das wird jedem Betrachter bei dieser Filmszene sofort klar. Klettern ist aber längst nicht mehr allein auf schwierigste alpine Routen wie die steile Eiger Nordwand in den Alpen oder extreme Herausforderungen wie im Himalaya, dem höchsten Gebirge der Erde, beschränkt. Sportklettern mit den drei Disziplinen Schwierigkeits- bzw. Lead-Klettern, Bouldern und Speedklettern ist seit Tokyo 2021 olympischer und längst internationaler Spitzensport. Klettern boomt, hat sich in den letzten Jahren nicht zuletzt durch die zahlreichen Kletterwände in den Hallen zu einem echten Breitensport entwickelt, wird allein in Deutschland von 500.000 Menschen betrieben.

Mit sieben Jahren erstmals die Kletterwand in Worms hinauf

Einer dieser halben Million Menschen hierzulande ist Till von Bothmer aus Bobenheim-Roxheim. Der Schüler der elften Klasse am Karolinen-Gymnasium ist sportlich, drahtig, aufgeweckt, ein modern daherkommender 17-jähriger junger Bursche. „In der Schule habe ich Sport als Leistungsfach“, sagt Till wie selbstverständlich. Windsurfen, Wellenreiten, Snowboard fahren seien seine Hobbys. Ach ja, ein Sport ist ihm auf den Leib geschnitten: Sportklettern. Klar, wenn man aus einer Kletterer-Familie käme, denn Mutter Katja und Vater Mirko lieben das Klettern in der freien Natur wie beispielsweise im Pfälzer Wald oder dem Schwarzwald aufs innigste. Da lag es nahe, dass Till es auch mal ausprobiert. „In der Nikolaus-Dörr-Halle in Worms wurde eine Kletterwand installiert“, erinnert sich Mirko von Bothmer an die ersten Griffe des Sohnes zurück. In einer Kindergruppe des Deutschen Alpenverein Worms (kurz DAV Worms) aus sieben Kids im Alter von sieben Jahren zeigte sich schnell das Talent von Till für sichere Griffe. „Die ersten Wettkämpfe ließen nicht lange auf sich warten“, erzählt Mirko von Bothmer weiter.

WM im Speedklettern in Voronezh / Russland bisheriger Höhepunkt

Zehn Jahre später blickt Till von Bothmer bereits auf eine erfolgreiche Zeit mit vielen nationalen Titeln und internationalen Erfolgen zurück. Den größten Erfolg feierte das Mitglied des Deutschen National-Kaders gerade erst mit dem Sieg im Speedklettern beim European Youth Climbing-Cup im slowakischen Žilina. Vom 21. bis 31. August steht nun im 2700 Kilometer entfernten Voronezh, gut 300 Kilometer südlich der russischen Hauptstadt Moskau, die Teilnahme an der Climbing World Youth Championship, der Jugend-Weltmeisterschaft, auf dem Programm. „Klar, es kribbelt“, sagt der junge Sportkletterer kurz vor dem bisherigen Höhepunkt seiner sportlichen Karriere. Und: „Ich möchte gewinnen, aber alles kann passieren.“ Mentale Stärke sei die wichtigste Fähigkeit beim Speedklettern, da man sich dabei keinen Fehltritt oder Fehlgriff leisten dürfe.

6,6 Sekunden bis zur Himmelspforte ins Glück

Im Gedanken an die bevorstehenden Wettkämpfe in Voronezh erzählt Till im Detail von seiner Lieblings-Disziplin Speedklettern. 19 Griffe sind es in der fünf Grad überhängenden 15 Meter hohen Wand. „Sie ist weltweit genormt“, erklärt der junge Sportkletterer. Die nächste Speedwand findet sich in Darmstadt. „15 Griffe nutze ich“, sagt Till von Bothmer, der schwört: „Da könnte man mich nachts um drei Uhr wecken. Ich wüsste genau, welche Hand und welcher Fuß wohin müssen.“ Unzählige Male geübt, unter anderem in Frankenthal beim Landeskader-Trainer und Bundestrainer Johannes Lau. „Alle zwei Monate sind die Kletterschuhe durch“, berichtet Mirko von Bothmer von der Materialschlacht, die auch mit dem Magnesium aus einem kleinen Stoff-Säckchen um die Hüften für die Griffe der Hand und Tritte der Spezialschuhe betrieben wird. Jüngst im belgischen Puurs schraubte Till seinen Rekord auf 6,6 Sekunden für die 15 Meter bis hinauf an die kleine Plattform, die man mit der Hand treffen muss. Eine Zeit, die bei der WM 2021 in Russland durchaus für einen Sprung aufs Treppchen reichen könnte. Die größten Konkurrenten kommen bei diesem Unterfangen aus Russland, Italien, China, Japan und Indonesien.

Paris 2024 mit Bouldern und Lead-Klettern als Ziel

Für die nähere Zukunft hat Till von Bothmer übrigens nicht nur das Geschwindigkeitsklettern im Sinn. „In Paris wird Bouldern und Lead-Klettern zu einer eigenen olympischen Disziplin zusammengefasst“, weiß er. „Darauf möchte ich mich dann fokussieren.“ Beim Bouldern sind es gerade die Vielzahl an koordinativen Bewegungen und die Anforderungen an den Geist beim Lösen von Problemen in der Wand, die den Bobenheim-Roxheimer reizen. Und die Königsdisziplin ist ohnehin das Lead-Klettern. Dabei hat man in einer bis zu 20 Meter hohen Kletterwand nur maximal sechs Minuten, um eine perfekte Route mitunter auch kopfüber hängend durch die Wand zu finden und zu klettern. „Natürlich immer sicher angeleint“, betont Till von Bothmer. Der Ankerknoten, Bulin oder auch Palstek seien das ins Blut gegangene Handwerkszeug des Sportkletterers. Und dazu jede Menge Kraft in den Fingern. „Beim Fingerhakeln wär’ ich bestimmt ganz gut“, sagt Till von Bothmer mit einem Lächeln. Beim rasanten Speedklettern ist es das junge Talent des DAV Worms aber allemal.

Jürgen Jaap
Verlag Nibelungen-Kurier GmbH
Sport-Redaktion