Auweija, wieder Regen, war die von vielen der 38 Fahrtteilnehmer wohl unausgesprochene Befürchtung, als wir am Freitag, 15. August 2008, in Richtung Frankreich starteten. Wieder Willibert-Acker-Wetter wenn`s ins Elsass, in die Vogesen geht? In der Tat. Bis kurz hinter Colmar war ein dunkelgrauer, Wolken verhangener Himmel mit Regen unser ständiger Begleiter.

Kaum in der Nähe unseres Quartiers, der Auberge du Schantzwasen angekommen, riss die Wolkendecke auf und wir hatten fortan ideales Wanderwetter. Die Rucksäcke wurden sogleich umgepackt und es wurde losmarschiert. Schließlich sollte die erste Tagestour bewältigt und nicht zu spät zu unserer Hütte zurückgekehrt werden, denn auf der Speisekarte stand ganz oben: frischer Heidelbeerkuchen. Und wer wollte auf den verzichten? Schon bald sah sich die Gruppe umringt von urwüchsigem, Natur belassenem Wald. Saftiges Grün, üppiger Bewuchs, ein Zeugnis von viel Feuchtigkeit in diesem Gebiet. Durch ihre exponierte Lage sind die Vogesen als Mittelgebirgslandschaft niederschlagsreicher als der benachbarte Schwarzwald. Die Eingehtour am ersten Tag gab schon einen Vorgeschmack für den zweiten. Nach einer kleinen Stärkung führte uns ein alpiner Pfad mit Drahtseilsicherung über zwei steile Eisentreppen zu den Hirschsteinen. Nach rund einer halben Stunde, garniert mit einigen Kletterstellen, war der Pfad von der kompletten Gruppe - eigentlich locker - geschafft, was der „Wanderführerin in Ausbildung“, Karolin „Karo“ Noe-Kurzfeld, ein spontanes „Bravo“ entlockte.

Dass aber am nächsten Tag ein Pfad mindestens diesen Schwierigkeitsgrades, aber statt einer halben Stunde, laut Karo, zwei Stunden zu gehen seien, ließ bei den Wormser DAV`lern gleich wieder Ernüchterung einkehren. Zum Nachdenken blieb wenig Zeit. Der Weg führte uns weiter, hinauf zum 1.255 Meter hoch gelegenen Spitzenfels mit herrlichem Rundumblick zu den benachbarten Bergen der Südvogesen mit ihrer charakteristischen Form einer Rundkuppe, mit majestätischen Wäldern und Hochweiden. Im Gegensatz dazu die Niedrigeren der Nordvogesen, auch Sandsteinvogesen genannt. Wir sahen unterwegs die Grenzsteine der deutsch-französischen Grenze vor der Zeit des ersten Weltkrieges, bevor wir Gelenk schonend über eine weiche Hochmoorlandschaft mit extensivem Bewuchs mit reichlich Früchte tragendem Heidelbeergesträuch und blühendem Heidekraut nach rund vier Stunden und zirka 500 Höhenmetern rechtzeitig zur Kaffeezeit unsere Auberge du Schantzwasen erreichten. Ein leckerer Heidelbeerkuchen wartete schon und sein Anblick machte noch mehr Appetit. Doch es dauerte nicht allzu lange, bis es die ersten langen Gesichter gab, denn der viel gepriesene Heidelbeerkuchen war schnell ausverkauft. Dafür wurden die Hungrigen mit ebenso leckeren Heidelbeertörtchen entschädigt.

Die knapp zwanzig Minuten zu Fuß zum Bus waren am Samstagmorgen das willkommene Aufwärmtraining. Nach kurzer Busfahrt war der Start unserer Tagestour der Parkplatz „Col de la Schlucht“. Bereits nach wenigen Minuten erreichten wir ihn: den Klettersteig „Sentier des Roches“. Als einer der eindrucksvollsten und gefährlichsten – besonders bei Nässe - elsässischen Gebirgs- bzw. Felsenpfade verbindet er auf einer Länge von rund drei Kilometern Col de la Schlucht mit dem Hohneck. Er überwindet über diese Distanz zwar nur einen Höhenunterschied von 35 Metern, doch steile, mit Drahtseilen, Eisengeländern, Leitern und Stegen gesicherte Felspassagen erfordern für seine Begehung Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Atemberaubende Ausblicke waren der Lohn für die Schinderei, für das ständige Auf und Ab. Willibert und Karo führten die Gruppe sicher, wohlbehalten und ohne „natürlichen Schwund“, so dass uns der Frauenüberschuss erhalten blieb, zum ersten Etappenziel, der Frankenthaler Hütte (1.032 Meter). Bergkäse, Speck und ein Glas „Roter“, luden zur redlich verdienten Mittagsrast. Gestärkt ging`s knapp 300 Meter, an der beeindruckenden Martinswand vorbei, steil bergauf zum Col de Falimont. Die vierbeinigen Gämsen bekamen wir leider nicht zu Gesicht. Und Mitten in den mühseligen und schweißtreibenden Aufstieg, nur die Stille der Natur und das eigene Atmen hörend, Oberschwester Helgas unverkennbare Stimme: „Kaaarooo, ick führe ne kleine Gruppe“ (Anmerkung: die letzten fünf), ick jehöre zur Eeliteee“. Der Ausspruch beflügelte wohl alle dermaßen, dass der Aufstieg in knapp 45 Minuten geschafft wurde. Kaum erholt, wurden die ersten auf dem Weg zum Hohneck, mit 1.363 Metern der dritthöchste Berg der Vogesen, von einem frei laufenden Bullen zum Spurt und zu einem Sprung hinter die Einzäunung gezwungen. Freiwillig umgingen wir auf dem Rückweg in großem Bogen und hinter der Einzäunung gehend, den noch immer tobenden Stier. Über den Vogesen-Hauptkamm (Hautes Chaumes, Wanderweg GR 5), mit guter Fernsicht, erreichten wir die Ferme Auberge les Trois Foures und dann den Parkplatz „Col de la Schlucht“, wo der Bus schon zur Rückfahrt zur Hütte auf uns wartete. Verdienter Lohn: Heidelbeerkuchen, und am Abend gab’s - wie abends zuvor - ein reichhaltiges, für eine Hütte kaum zu überbietendes, sehr leckeres Menü.

Nach den Anstrengungen der beiden Vortage hieß die Vorgabe am Abreisetag zunächst einmal „ausschlafen“ und „den Tag langsam angehen lassen“. Bis zur Rückfahrt gegen 10.00 Uhr waren die Rücksäcke, jetzt noch schwerer durch frischen Münsterkäse und leckere Heidelbeermarmelade, nur noch rund eine Viertelstunde bis zum Bus zu schleppen. Für den Rest des Tages wartete mit dem sehenswerten Colmar eine Stadt der Kunst auf uns. Und dort durften wir Williberts weiteres Talent als Stadtführer erfahren. Sein Schauspielerisches, in dem er mit Ehefrau Sonja die Lachmuskeln auf das Äußerste strapazierte, durfte nämlich nicht nur unsere Gruppe am Abend zuvor, ausgiebig auskosten. Nach dem Besuch des Unterlindenmuseums, mit dem berühmten Issenheimer Altar, oder einem Stadtbummel, führte uns Willibert zu den markanten Punkten Colmars. Ob Kopfhaus, Pfisterhaus, Koifhus, Dominikanerkirche mit dem Tafelgemälde „Madonna im Rosenhag“, dem Gerberviertel oder einem Spaziergang entlang der Lauch durch „Klein Venedig“, die Besichtigung rundete, wie Karo treffend ausführte, die „super, spitze“ Dreitagesfahrt gebührend ab.

Fazit: Wandern und Essen in den Vogesen sind weitere Besuche wert.