Ein Team von Mitgliedern des Deutschen Alpenvereins und des Skiclubs Worms-Wonnegau machte sich auf, den Winter zu suchen. Unser Team wurde mit Freunden aus Berlin verstärkt, wir hatten uns bei der Alpenüberquerung kennen gelernt. Der Oulanka Nationalpark im Norden Finnlands, nahe des Polarkreises und der Russischen Grenze war unser Ziel. Mit Schneeschuhen gehen wir die Bärenrunde, eine Wanderroute durch den Oulanka-Nationalpark.

Schon die Anreise war ein Abenteuer, unsere unförmige Ausrüstung und die eine oder andere Tube im Handgepäck sorgten für Aufregung und leichten Stress am Flughafen.

Endlich in Finnland angekommen war es kalt, die Straßen schneebedeckt. Die Autos zogen Schneefahnen hinter sich her, vernebelten die Straßen und machten das Fahren zu einer Reise ins Ungewisse. Achtung „Elchalarm“ - die Hinweisschilder auf Elche wechselten sich ab mit Radarfallen. Jeder Kilometer in Richtung Norden brachte uns dem Winter näher. In Kuusamo erwartete uns unsere Führerin. Wir mussten noch Lebensmittel einkaufen und auf alle verteilen. Die Autos wurden an die Steckdose angeschlossen um den Motor zu wärmen, damit er Tage später wieder anspringt. Die Rucksäcke beladen mit Schlafsack, Kleidung, Verpflegung und einer Pulka im Schlepptau machten wir uns auf. Zunächst ging es nur langsam voran, breitbeinig war der Schritt mit den ungewohnten Latschen. Langsam verschwanden die letzten Häuser. Ruhe kehrte ein, wir sind allein. Es schneite -dick eingepackt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen stapften wir langsam durch die tief verschneite Landschaft. Die kalte Schneeluft reinigte die Lungen, kleine Eiszapfen wuchsen uns an Nase und Bart. Gigantisch ist die Kraft des Eises - alle Seen und Flüsse waren zugefroren. Endlich war die Hütte zu sehen. Da wir die ersten Winterwanderer der Saison waren, war die kleine Holzhütte stark ausgekühlt. Holz für den Ofen musste gesägt werden und in die Eisdecke des Flusses wurde ein eimergroßes Loch für das Teewasser geschlagen. Alle saßen um den wärmenden Ofen, die dicken Jacken an und die Mützen auf. Der Raum wurde mit Handschuhen und feuchten Klamotten dekoriert. Es brauchte lange bis er warm wurde.

Am nächsten Tag war die Freude groß. Übernacht war das Barometer gestiegen und kündigte besseres Wetter an. Ab und zu schaute die Sonne zwischen den Wolken hervor. Sie steht noch tief im Februar und wirft lange Schatten.

Ein kurzer Besuch im Infocenter des Oulanka-Nationalparks gab uns Einblicke in dessen Fauna und Flora. Ein ausgestopfter Bär stand im Schaufenster - „Zum Glück schlafen die Kameraden im Winter“ In der folgenden Nacht war der Himmel sternenklar, die Sterne zum greifen nahe, doch leider waren keine Nordlichter zu sehen. Minus 38° zeigte das Quecksilber. Die Kälte trieb uns in die Hütte. Am nächsten Tag packten sich alle warm ein, nur die Augen hatten noch Kontakt nach außen. Gleichmäßig wanderten wir durch die weiten Wälder, die mitunter bis zur Unkenntlichkeit verschneit waren. Alles Mögliche und Unmögliche konnte man unter den bizarren Schneehaufen vermuten, der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. Die gleißenden Sonnenstrahlen ließen die Eiskristalle auf den Schneeflächen schillern während feiner Schneestaub von den Bäumen auf uns herab regnete und Schneekristalle im Sonnenlicht funkelten. Es blinkte wie bei Cinderella mit dem Zauberstab. Wir müssen Engel sein, entgegen der Vorhersage. hatten wir Glück mit dem Wetter. Es war zwar saukalt aber Sonnenschein pur für den Rest unseres Urlaubs. Die wilde Kraft des Oulanka zeigte sich an Stromschnellen. Hier hat selbst im kalten Winter das Wasser noch die Macht über das Eis. An den Ufern schimmerten kunstvolle Eisblumen auf Eis überkrusteten Felsen. Der Gedanke Nachtwache zu halten wurde laut, denn Schnell kühlte die Hütte aus. In der Nacht zu heizen und nach eventuell auftretenden Nordlichtern Ausschau zu halten wurde von der Müdigkeit verdrängt. Dick eingekuschelt lagen wir im Schlafsack, einige mit Mützen auf dem Kopf. Wir hofften auf die nächste Nacht.

Es war traumhaft durch die glitzernde, tief verschneite Landschaft zu wandern. Manche Kamera versagte bei den extremen Temperaturen. Früh ging die Sonne unter, doch unser Team ließ keine Langeweile aufkommen. Die Erlebnisse des Tages und Berggeschichten aus alten Tagen sorgten für eine super Stimmung. Die Berliner wurden in die Grundkenntnisse der Wormser Mundart und die Vorzüge die es mit sich bringt ein Wormser zu sein, eingewiesen. Auch wir erhielten Nachhilfe in so „ähnem richtschen Sächsch, nu“. Wie die sich verständigen können ist mir schleierhaft.

Am Morgen wurde schnell eine Hand voll Schnee ins Gesicht geworfen und die Zähne geputzt, schon waren wir fertig für den Tag. Eine Tasse Kaffee und eine Portion Porridge weckten die Lebensgeister. Wo es keine fest getretene Spur gab, sackten wir im Pulverschnee bis zu den Knien ein. Das Knirschen des Schnees unter unseren Schritten war weit zu hören und warnte die Tiere. Hier und da hatten Schneehasen, Elche und Rentiere ihre Spuren hinterlassen. Wir hätten gerne einen Elch gesehen. Nur eine kurze Pause am Mittag. Das Pausenbrot war leicht gefroren und wurde mit einem Schluck heißem Tee hinuntergespült. Die riesigen Bäume bogen sich unter der Last der Schneemassen. Sie erinnerten an geheimnisvolle Eingänge in die Sagenwelt. Vereiste Sträucher, kleine und große Tannen standen, sagenhaften Gestalten gleich, Spalier am Wegesrand. Es machte Spaß die Bäume zu schütteln. Ein Aufschrei, wenn wieder eine Minilawine aus den Baumwipfeln direkt im Genick landete.

Zum Abschluss ließen wir uns noch 3 Tage verwöhnen und genossen die andere Seite des Winters. Wir hatten uns in zwei wundeschönen Blockhäusern einquartiert. Mit dem Schneemobil sausten einige durch die Wälder, eingehüllt in eine Wolke aus Schneestaub ging die wilde Fahrt über Waldwege und gefrorene Seen. Die Mittagpause am Lagerfeuer entfachte eine Atmosphäre wie in den Abenteuergeschichten von Jack London. Die von Russ geschwärzte Kaffeekanne zauberte einen heißen Kaffee hervor. Ungeduldig erwarteten uns die Huskys. Ihnen war die Lust am Rennen regelrecht anzusehen. Pfeilschnell ging es über Stock und Stein durch den Schneeverzauberten Märchenwald. Nur nicht loslassen und immer den Fuß an der Bremse. Wandern am Fluss oder Ski-Langlauf „Hey“ Entspannung Pur war angesagt. Abends prasselte das Feuer im Saunaofen und das Bad im Schnee weckte alle Sinne. Eigentlich wollten wir nicht nach Hause. Die schönen Kamingespräche und die gute Küche unsere Gastgeberin machten uns den Abschied schwer. Siebenhundert Kilometer Autofahrt und drei Stunden Flug später waren wir wieder in Worms. Hier lag kein Schnee. Es war „warm“, hektisch und laut.

Deshalb ist eines sicher: wir kommen wieder. Finnlands Norden hat uns süchtig gemacht. Wir sind von der Stille und der Natur gefangen.